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“In zehn Jahren benötigen wir keine Papierpläne mehr.”

Wenn ein Museum brennt, ein Archiv einstürzt oder eine Bibliothek von Hochwasser bedroht ist, kommt die Feuerwehr zum Einsatz. Zu ihren Aufgaben gehört auch, Kulturgüter zu schützen und zu bergen. Wichtigstes Hilfsmittel dabei: die Feuerwehrpläne. Sie aktuell zu halten, ist aufwändig und kostspielig. Eileen Schmidt von hhpberlin ist sich sicher: Die Zukunft gehört digitalen Plänen, die mithilfe von Geodaten gepflegt werden. Ralf Lehmann von der Berliner Feuerwehr kennt die Hürden auf diesem Weg.


Herr Lehmann, in Berlin werden Kulturgüter aktuell in 3 Kategorien eingeteilt und in Feuerwehrplänen markiert. Worauf kommt es dabei an?


Ralf Lehmann: Es wird gerade erst begonnen, die Pläne in dieser Form zu erstellen oder anzupassen. Wir hatten zuvor eine Kulturgutkennzeichnung in Form von Ausrufezeichen. Die ist durch das Ampelsystem ersetzt worden. Neben der Einstufung von “Kulturgut”, “bedeutendes Kulturgut” oder “außerordentlich bedeutendes Kulturgut” kann nun auch zwischen beweglichem und nicht beweglichem Kulturgut unterschieden werden. Für uns als Feuerwehr ist es wichtig, Pläne zu haben, die aktuell und sofort lesbar sind. Dafür sollten sie einheitlich sein und nicht jede Institution eigene Symbole benutzen oder Beschreibungen hinzufügen.


Wie ist der Stand der Dinge? Wie funktioniert die aktuelle Zusammenarbeit?


Ralf Lehmann: Es sind viele Gespräche im Gange, das ist auf einem guten Weg. Zu Beginn des Jahres gab es einen runden Tisch, an dem die Notfallverbünde mit der Feuerwehr, der Polizei und dem Landeskriminalamt zusammenkamen. Sie waren ganz neugierig, was von den einzelnen Stellen gefordert wird. Als Feuerwehr habe ich an das Merkblatt Kulturgut und an das Merkblatt “Erstellen von Feuerwehrplänen” verwiesen. Da sind letztendlich die für die Feuerwehr wichtigen Dinge hinterlegt. Das Ziel ist ja, dass man sich zusammenschließt und gegenseitig unterstützt, damit nicht jede Bibliothek und jedes Archiv einen eigenen Plan erstellt.


Eileen Schmidt: Das finde ich sehr gut und das stärkt ja auch das Bewusstsein. Oftmals erkennen die Einrichtungen die Notwendigkeit gar nicht und dann fällt erst bei einem Einsatz auf, dass der Feuerwehrplan nicht aktualisiert wurde.


Ralf Lehmann: In dem Fall weisen wir die Institutionen darauf hin, dass wir einen aktuellen Feuerwehrplan brauchen und dass sie bei der Gelegenheit auch an das Kulturgut denken sollen.


In Deutschland handhabt jedes Bundesland die Darstellung von Kulturgütern anders. Wie bewerten Sie diese Vielfalt? Was wäre wünschenswert?


Ralf Lehmann: Es gibt ja schon in der Darstellung der Feuerwehrpläne Unterschiede. Wir haben zwar eine DIN, die das regelt, aber jedes Bundeland hat seine Besonderheiten und weicht von der DIN ab. Wichtig für die Berliner Feuerwehr ist es, dass wir einheitliche Pläne haben, dass wir uns mit diesen Plänen orientieren können und dass sie letztendlich selbsterklärend sind.


Eileen Schmidt: Ich finde es nicht sinnvoll, dass hier jede Brandschutzbehörde ihr eigenes Süppchen kocht. Für uns als Ersteller der Pläne wäre es wünschenswert, dass sich die Länder auf eine Darstellung einigen. Meiner Meinung nach sollte auch für Kulturgüter eine einheitliche DIN an den Start gebracht werden. In jedem Bundesland gibt es Museen mit wertvollen Kulturgütern, aber nicht immer die entsprechenden Merkblätter.


Wie läuft ein Einsatz in einer kulturellen Institution ab? Wie und wann erfahren Sie als Feuerwehr, welche Kulturgüter geborgen werden müssen?


Ralf Lehmann: Wir haben auf der Anfahrt nur den Feuerwehrübersichtsplan in Papierform oder auf Tablets. Dort haben wir eine Übersicht über das Gelände, die Zugänge, wichtige Eingänge etc. Und es gibt den Hinweis, dass vor Ort Kulturgut vorhanden ist. Mehr wissen wir auf der Anfahrt nicht. Die Sonderpläne für das Kulturgut befinden sich in der Anlaufstelle für die Feuerwehr, wo sich auch die Brandmeldeanlage befindet. Dort sollte uns in geeigneter Form eine Beschreibung des Gebäudes mit den Besonderheiten für die Feuerwehr und natürlich eine Auflistung der Kulturgüter hinterlegt sein.


Wir sollten dann wissen, was sich in welchem Raum befindet und welche Priorisierung die Kulturgüter haben. Wir handeln allerdings nur in Absprache mit den Gebäudeverantwortlichen. Gemeinsam überlegen wir, ob es Sinn macht, das Kulturgut rauszuholen und eventuell durch verrauchte Räume zu tragen oder ob es mehr Sinn macht, es darin zu lassen. Insofern hat der Gebäudeverantwortliche eine wichtige Funktion. Wenn es in einem bestimmten Raum brennt, ist es wichtig, erst mal zu schauen, was überhaupt noch zu retten ist.


Die Liste ist für uns ein wichtiges Hilfsmittel, denn wir kennen den Wert der Gegenstände nicht und wissen auch nicht, wie sie zu transportieren sind. Da steht dann drauf: “Diese Uhr nur mit Handschuhen anfassen.” Oder: “Vorsicht! Dieses Fossil ist zerbrechlich.” Und dann müssen wir absprechen, wo das Ganze hingebracht werden soll. Das muss die Institution oder der Betreiber selbst organisieren. Deshalb ist es gut, dass sich die Notfallverbünde treffen und über diese Dinge sprechen. So wissen sie im Einsatzfall klar, was zu tun ist.


Papierpläne sind nur schwer aktuell zu halten. Welche Perspektiven eröffnet die Digitalisierung in diesem Zusammenhang?


Ralf Lehmann: Die meisten unserer Einsatzleiter haben ein Tablet, auf dem sie die Pläne digital gespeichert haben. Es gibt Überlegungen, künftig wie folgt vorzugehen: Wenn im Gebäude ein Alarm für die Feuerwehr ausgelöst wird, bekommen wir für diesen speziellen Alarm die Geschosspläne und andere Pläne freigeschaltet und können sie während der Fahrt digital sehen und uns schon entsprechend vorbereiten und absprechen. Zurzeit ist das noch nicht der Fall, aber es ist im Gespräch. Allerdings müssen die sensiblen Daten gut geschützt sein. Für den Einsatzablauf wäre dieses Vorgehen auf jeden Fall erleichternd und sinnvoll.


Eileen Schmidt: Ich denke, es gibt da noch viel mehr Möglichkeiten. Nehmen wir als Beispiel Tristan, den T-Rex des Berliner Naturkundemuseums. Er ist für ein Jahr zu Gast im Statens Naturhistoriske Museum in Kopenhagen. Statt für diese Zeit extra neue Papierpläne zu erstellen, könnte man in einem digitalen Plan einfach den Kulturgut-Punkt entfernen und wieder einfügen, wenn Tristan zurück ist. Das geht schnell und ist viel effektiver als der Umweg über Papier. Genauso ist es bei wechselnden Ausstellungen. Mit klassischen Feuerwehrplänen dauert es manchmal Wochen, bis die Papierpläne ausgetauscht sind. In dieser Zeit kann die Ausstellung schon längst wieder gewechselt haben. Und kostspielig sind ständige Änderungen für die Betreiber noch dazu.


Welche Funktion haben Geodaten dabei?


Eileen Schmidt: Wenn die Feuerwehren zum Einsatz fahren, wissen sie im Prinzip nie genau, ob ihr Feuerwehrübersichtsplan auch dem entspricht, was sie am Einsatzort vorfinden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie einen Papierplan oder ein Tablet verwenden. Mit Geoinformationen hingegen sind die Pläne immer auf dem neusten Stand, denn temporäre Änderungen können sehr schnell und flexibel eingepflegt werden. Das kann zum Beispiel eine neue Straßenführung sein, veränderte Aufstellflächen für die Feuerwehr, Baustelleneinrichtungen oder Hydranten, die vom Netz genommen werden müssen. Für einen Einsatz sind das alles kostbare Informationen. Im Nachgang können Einsätze mit GIS ausgewertet und Gefährdungs- und Risikoanalysen durchgeführt werden.


Ralf Lehmann: Das klingt alles sehr vielversprechend, aber ich glaube es ist ein weiter Weg bis dahin. Ich sehe das Hauptproblem neben dem Datenschutz darin, die ganzen Daten zu hinterlegen und einzupflegen.


Wir werfen einen Blick ins Jahr 2030: Wie sieht ein Feuerwehrplan aus?


Eileen Schmidt: Ich denke, wir benötigen in zehn Jahren keine Papierpläne mehr. Sie verlassen nach und nach die Feuerwehrwachen. In smarten Städten sind auch die Feuerwehrpläne smart. Digitale Gebäudezwillinge enthalten dann alle aktuellen Informationen zu den einzelnen Objekten und die werden der Feuerwehr auf der Fahrt zum Einsatzort freigeschaltet.


Welche Rolle kann hhpberlin in diesem Prozess spielen?


Eileen Schmidt: Wir sehen uns als Schnittstelle und Impulsgeber, möchten gemeinsam Ideen entwickeln. Dabei hilft uns zum einen unsere jahrzehntelange Erfahrung mit der Erstellung von Feuerwehrplänen und deren Abstimmung. Wir kennen die Prozesse, die Beteiligten und die Hürden. Und zum anderen engagieren wir uns in vielen Bereichen in der Debatte zur digitalen Transformation der Städte. Innovationen sind immer herausfordernd und mit viel Kommunikation verbunden. Klar ist aber: Wenn der vorbeugende und abwehrende Brandschutz digitaler werden, minimieren wir den Abstimmungsaufwand, beschleunigen Prozesse und machen sie am Ende effizienter.

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