Prüfung und Validierung von Rechenprogrammen für Brandschutznachweise mittels allgemeiner Berechnungsverfahren nach den Brandschutzteilen der Eurocodes
Marius Milatz
Fachartikel
2010
Wie in allen Bereichen des Ingenieurwesens kommen auch im Brandschutz zunehmend Computersimulationen zur Anwendung, um komplizierte Probleme, wie zum Beispiel den zeitlichen Verlauf von Bränden und die Temperaturverteilung in Bauteilen zu berechnen oder schließlich die Tragfähigkeit einer Konstruktion im Brandfall zu bestimmen. Das Ziel dieser Berechnungen ist stets, das höchste Maß an Sicherheit für den Menschen bei der Planung, dem Bau oder der Instandsetzung von Baukonstruktionen zu erreichen, indem deren ausreichend lange Feuerwiderstandsfähigkeit nachgewiesen wird. Der Feuerwiderstand von Bauteilen war bislang in den Teilen der Normenreihe DIN 4102 geregelt, in denen die Prüfung und brandschutztechnische Klassifizierung von Bauteilen traditionell mithilfe der so genannten Einheitstemperaturzeitkurve (ETK) vorgenommen wurde. Aus der Bauvorschrift konnten geometrische Abmessungen von Bauteilen zum Erreichen einer vorgegebenen Feuerwiderstandsdauer entnommen werden, um den Brandschutznachweis für eine Konstruktion zu erbringen. Die Klassifizierung der in der Norm enthaltenen Standardbauteile – wie beispielsweise Wände, Decken oder Stützen aus Stahlbeton oder Stahl – anhand der in Brandversuchen nachgefahrenen ETK lieferte dabei ein sehr konservatives, das heißt auf der sicheren Seite liegendes, Bemessungskonzept. Mit der allgegenwärtigen Globalisierung und dem Zusammenwachsen der Märkte findet auch eine Harmonisierung der europäischen Bauvorschriften statt, sodass sich auch die Brandschutznormung momentan im Umbruch befindet. Mit der kurz bevorstehenden Ersetzung der alten DIN 4102 durch das europäische Regelwerk der so genannten „heißen“ Eurocodes DIN EN 1991-1-2 bis 1999-1-2 eröffnen sich dem Brandschutzingenieurwesen neue Möglichkeiten. Denn die Nutzung der modernen Computersimulationen für Brandschutznachweise wird in den neuen europäischen Brandschutznormen verankert und damit bauaufsichtlich zugelassen. Gemäß derzeitigem Kenntnisstand sollen die neuen Teile der Eurocodes sukzessive ab Juli 2012 bauaufsichtlich eingeführt und damit rechtsverbindlich werden.
In den neuen Brandschutzteilen der beispielsweise auf die Baustoffe Beton, Stahl oder Holz bezogenen Eurocodes werden auf dem höchsten, aber auch aufwändigsten Nachweisniveau die so genannten allgemeinen Rechenverfahren vorgestellt. Sie bedienen sich moderner Computermethoden wie der FEM, um das Tragverhalten temperaturbeanspruchter Bauteile so realistisch wie möglich abzubilden. Für diese Aufgabe wurden und werden für die Anwendung in praktisch orientierten Ingenieurbüros, aber auch für die Forschungstätigkeit an Universitäten, aufwändige und leistungsfähige Computerprogramme entwickelt. Deren Eignung für die Anwendung bei Brandschutznachweisen ist jedoch gemäß der neuen Eurocodes nachzuweisen. Damit sichergestellt ist, dass die Rechenprogramme bei der Simulation physikalischer Phänomene, wie zum Beispiel der Reaktion eines Bauteiles auf eine Brandeinwirkung, korrekte Ergebnisse liefern, müssen die Programme validiert werden. Das bedeutet, es muss eine Kontrolle der Simulationsergebnisse anhand bekannter Lösungen oder konkreter Messwerte erfolgen. Zu diesem Zweck sind im Entwurf des Nationalen Anhangs (NA) des Eurocode DIN EN 1991-1-2 so genannte Validierungsbeispiele in Form eines Katalogs von Beispielproblemen veröffentlicht worden. Diese decken verschiedene Aspekte der modernen Brandschutzingenieurmethoden systematisch ab und ermöglichen so eine Bewertung der Fähigkeiten der getesteten Rechenprogramme.
Im Rahmen einer von hhpberlin betreuten Studienarbeit am Institut für Baustatik und Stahlbau der Technischen Universität Hamburg-Harburg sollten verschiedene ausgewählte Rechenprogramme anhand der Validierungsbeispiele hinsichtlich ihrer Eignung für die allgemeinen Rechenverfahren nach den Brandschutzteilen der Eurocodes untersucht werden. Dabei fand auch eine Überarbeitung der Validierungsbeispiele durch die Brandschutzingenieure von hhpberlin statt, die durch ihre Gremienarbeit im Normenausschuss Bauwesen (NABau) an diesem wichtigen Aspekt der Normung sehr engagiert mitwirken. Darüber hinaus sollte in einer Literaturrecherche untersucht werden, welche auf dem Markt verfügbaren Rechenprogramme überhaupt für die Durchführung allgemeiner Rechenverfahren geeignet sind.